Neben diesen spontan und ungeplanten Alltagsbegegnungen gibt
es eine zweite Linie in seinem Schaffen. Die betrifft die künstlerische
Aufarbeitung und Umformung von Ereignissen, die ihn nicht nur berühren, sondern
ärgern, aufwühlen und zornig bis zynisch werden lassen. Ein aktuelles Beispiel
ist seine Arbeit – Installation oder Objektkunst – mit dem schönen Titel
„Limburg ist überall“. Dieser Titel warnt vor der entschuldigenden
Vereinfachung, dass es halt in jeder Organisation „schwarze Schafe“ gebe, man
diesen Einzelfall also bitte nicht so hoch hängen möge. Schauerte erinnerte uns
nachdrücklich daran, dass Tebartz von Elz auch ein Produkt seiner Kirche und im
Rahmen der Pracht und des Prunks dieser Kirche eigentlich kein Sonderling ist.
Diese Linie seines Schaffens könnte
man vielleicht die zornig-satirische
nennen. 
Wenn wir seine früheren Arbeiten anschauen, dann fasziniert
die zeichnerische und malerische Brillanz. Erst später entdeckte er die
Farbe und ab diesem Zeitpunkt war er Maler. Seine Bilder waren nie eindeutig,
manche zweideutig (auch im engeren Sinne von Zweideutigkeit, also des
erotisch-sexuellen) viele waren sie mehrdeutig, also eben nicht einfach zu
deuten. Seine Bilder hat man nicht einfach angeschaut, sondern man musste
sie lesen und neu deuten. Bilder wie „Die Tauben sind müde“ erinnern an die
nachlassende Kraft der Friedensbewegungen oder „Nachtruh ade“ an die Aufrüstung
in den 80er Jahren. Diese Arbeiten
erinnerten an Salvadore Dali, René Magritte, Giorgio de
Chirico oder Max Ernst. Ich bin sicher, er würde einige Arbeiten gut
in eine Dali-Ausstellung schmuggeln können, und niemand würde bemerken, dass
hier kein Dali, sondern ein echter Schauerte hängt. Dies ist die surreale Linie. 
Auch sein eigenes Leben, seine Erfahrungen, Empfindungen und
Verletzungen sind Themen seiner Kunst. Sein Leben ist vielfältig wie sein Werk. Kunst ist nicht l’art pour l’art, sondern Kunst bewegt Menschen.
[Sein] Berufsleben führte ihn durch unterschiedliche
Stationen, aber stets im Umfeld der Kunst. Seit 1990 ist er freischaffender
Künstler.
Fridhelm Schauerte ist nicht nur Zeichner, Maler und
Objektkünstler, sondern auch Bildhauer. Auch hier zeigt sich seine großartige
Fähigkeit der Wahrnehmung. Er sieht ein Stück Holz, eine Wurzel oder einen Ast,
und sieht sofort mehr als nur Holz, Wurzel und Ast. Er sieht das Leben darin,
menschliche Körperformen, Gesichter und Menschentypen. Und das Besondere ist,
dass er die Naturfunde, also die Hölzer, Wurzeln oder Äste nicht mit massiven
Eingriffen bildhauerisch umgestaltet, sondern behutsam das betont und
herausschält, was er in dem Stück gesehen hatte. So ergibt sich eine wunderbare
Mischung aus natürlicher Form und künstlerischer Gestaltung. Dies könnte man
die natürlich-gestalterische Linie nennen. 
In jüngster Zeit hat Fridhelm Schauerte seinem Werk eine
weitere Linie hinzugefügt. Man könnte sie die abstrakte oder auch minimalistische Linie nennen. Im Unterschied
zur ungegenständlichen Kunst, die nur Formen und Farben kennt, liegt der
abstrakten Kunst noch ein Gegenstand zugrunde, der aber soweit abstrahiert
wird, dass er nicht mehr ohne weiteres erkennbar ist. 
Noch eine letzte Linie will ich erwähnen, die in dem
„Reisbild“ oder „legal illegal“ sichtbar wird. Da geht es um das Thema Macht
und Missbrauch von Macht – und die Ungleichheit und Ungerechtigkeit der
Verteilung von Vermögen und Einfluss. Dies Thema ist inzwischen durch die
Forschungsarbeiten des französischen Ökonomen Thomas Piketty hoch aktuell
geworden. Piketty hat gezeigt, dass das Wachstum des gesellschaftlichen
Wohlstandes mit dem Wachstum der Verteilungsungerechtigkeit gekoppelt ist und
dass dies unweigerlich zu massiven gesellschaftlichen und politischen Krisen
führen wird. Schauerte hat diese Abschottung des Kapitals vom wachsenden
‚Rest der Gesellschaft’ augenfällig [symbolisiert] in seinem Reisbild, dass aus
echten Reiskörnern entstanden ist und das Wasser als Wachstumsmotor des
Reiskorn und als Grenzfluss zwischen Kapital und Arbeit zeigt. Diese Linie
seines Schaffens würde ich die Linie der
Mahnung zur Vernunft nennen. 
Ich könnte noch mehr Linien in seinem Schaffen aufzeigen, aber dies mag genügen, weil es mir nicht um diese Linien ging, sondern um den Menschen Fridhelm Schauerte, einen unglaublich vielseitigen Künstler, der rastlos Neues probiert und experimentiert, sich von anderen Künstlern inspirieren lässt und stets mit offenen Entdeckeraugen unterwegs, um die Welt neu wahrzunehmen und künstlerisch darzustellen, so dass auch wir die Welt mit anderen Augen sehen können.

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