Laudatio von Professor Dr. Gerd Wiendieck

anläßlich der Vernissage zur meiner Ausstellung Im Niemandsland, Mai 2014 in Altenahr.

(Schauertes) künstlerisches Schaffen und seine Arbeiten kenne ich und stelle immer wieder überrascht und verblüfft fest, welche Kreativität, Vielfalt und Spontanität seine Arbeiten ausstrahlen. Er hat die leider sehr selten gewordene Fähigkeit kultiviert, die Welt immer wieder neu und immer wieder mit den Augen eines staunenden Kindes wahrzunehmen um dann das zu realisieren, was die Philosophen die Relativität der Wahrheit nennen.

Eine waagerechte Platte mit 4 Beinen darunter ist eben ein Tisch und keine Landepiste für Fliegen. Diese „Gleichmacherei“ der Wahrnehmung erleichtert zwar die Verständigung unter den Menschen, verarmt uns aber die Welt. Genau dieser Verarmungsgefahr unterliegt Fridhelm Schauerte nicht.

Viele seiner Arbeiten sind aus so einem fast nichtigen Anlass des alltäglichen Lebens entstanden, aber er hat sich nicht mit der Banalität der Alltagsdinge zufrieden gegeben, sondern ihnen eine ganz neue Bedeutung verliehen, indem er sie anders anordnete, zusammenfügte und mit Farbe versah.

Dies ist gewissermaßen die lustige, spaßige, juxige Linie seiner Arbeiten.


Prof. Dr. Gerd Wiendieck

Neben diesen spontan und ungeplanten Alltagsbegegnungen gibt es eine zweite Linie in seinem Schaffen. Die betrifft die künstlerische Aufarbeitung und Umformung von Ereignissen, die ihn nicht nur berühren, sondern ärgern, aufwühlen und zornig bis zynisch werden lassen. Ein aktuelles Beispiel ist seine Arbeit Installation oder Objektkunst mit dem schönen Titel „Limburg ist überall“. Dieser Titel warnt vor der entschuldigenden Vereinfachung, dass es halt in jeder Organisation „schwarze Schafe“ gebe, man diesen Einzelfall also bitte nicht so hoch hängen möge. Schauerte erinnerte uns nachdrücklich daran, dass Tebartz von Elz auch ein Produkt seiner Kirche und im Rahmen der Pracht und des Prunks dieser Kirche eigentlich kein Sonderling ist. Diese Linie seines Schaffens könnte man vielleicht die zornig-satirische nennen.

Wenn wir seine früheren Arbeiten anschauen, dann fasziniert die zeichnerische und malerische Brillanz. Erst später entdeckte er die Farbe und ab diesem Zeitpunkt war er Maler. Seine Bilder waren nie eindeutig, manche zweideutig (auch im engeren Sinne von Zweideutigkeit, also des erotisch-sexuellen) viele waren sie mehrdeutig, also eben nicht einfach zu deuten. Seine Bilder hat man nicht einfach angeschaut, sondern man musste sie lesen und neu deuten. Bilder wie „Die Tauben sind müde“ erinnern an die nachlassende Kraft der Friedensbewegungen oder „Nachtruh ade“ an die Aufrüstung in den 80er Jahren.  Diese Arbeiten erinnerten an Salvadore Dali, René Magritte, Giorgio de Chirico oder Max Ernst. Ich bin sicher, er würde einige Arbeiten gut in eine Dali-Ausstellung schmuggeln können, und niemand würde bemerken, dass hier kein Dali, sondern ein echter Schauerte hängt. Dies ist die surreale Linie.

Auch sein eigenes Leben, seine Erfahrungen, Empfindungen und Verletzungen sind Themen seiner Kunst. Sein Leben ist vielfältig wie sein Werk. Kunst ist nicht l’art pour l’art, sondern Kunst bewegt Menschen.

[Sein] Berufsleben führte ihn durch unterschiedliche Stationen, aber stets im Umfeld der Kunst. Seit 1990 ist er freischaffender Künstler.

Fridhelm Schauerte ist nicht nur Zeichner, Maler und Objektkünstler, sondern auch Bildhauer. Auch hier zeigt sich seine großartige Fähigkeit der Wahrnehmung. Er sieht ein Stück Holz, eine Wurzel oder einen Ast, und sieht sofort mehr als nur Holz, Wurzel und Ast. Er sieht das Leben darin, menschliche Körperformen, Gesichter und Menschentypen. Und das Besondere ist, dass er die Naturfunde, also die Hölzer, Wurzeln oder Äste nicht mit massiven Eingriffen bildhauerisch umgestaltet, sondern behutsam das betont und herausschält, was er in dem Stück gesehen hatte. So ergibt sich eine wunderbare Mischung aus natürlicher Form und künstlerischer Gestaltung. Dies könnte man die natürlich-gestalterische Linie nennen.

In jüngster Zeit hat Fridhelm Schauerte seinem Werk eine weitere Linie hinzugefügt. Man könnte sie die abstrakte oder auch minimalistische Linie nennen. Im Unterschied zur ungegenständlichen Kunst, die nur Formen und Farben kennt, liegt der abstrakten Kunst noch ein Gegenstand zugrunde, der aber soweit abstrahiert wird, dass er nicht mehr ohne weiteres erkennbar ist.

Noch eine letzte Linie will ich erwähnen, die in dem „Reisbild“ oder „legal illegal“ sichtbar wird. Da geht es um das Thema Macht und Missbrauch von Macht und die Ungleichheit und Ungerechtigkeit der Verteilung von Vermögen und Einfluss. Dies Thema ist inzwischen durch die Forschungsarbeiten des französischen Ökonomen Thomas Piketty hoch aktuell geworden. Piketty hat gezeigt, dass das Wachstum des gesellschaftlichen Wohlstandes mit dem Wachstum der Verteilungsungerechtigkeit gekoppelt ist und dass dies unweigerlich zu massiven gesellschaftlichen und politischen Krisen führen wird. Schauerte hat diese Abschottung des Kapitals vom wachsenden ‚Rest der Gesellschaft’ augenfällig [symbolisiert] in seinem Reisbild, dass aus echten Reiskörnern entstanden ist und das Wasser als Wachstumsmotor des Reiskorn und als Grenzfluss zwischen Kapital und Arbeit zeigt. Diese Linie seines Schaffens würde ich die Linie der Mahnung zur Vernunft nennen.

Ich könnte noch mehr Linien in seinem Schaffen aufzeigen, aber dies mag genügen, weil es mir nicht um diese Linien ging, sondern um den Menschen Fridhelm Schauerte, einen unglaublich vielseitigen Künstler, der rastlos Neues probiert und experimentiert, sich von anderen Künstlern inspirieren lässt und stets mit offenen Entdeckeraugen unterwegs, um die Welt neu wahrzunehmen und künstlerisch darzustellen, so dass auch wir die Welt mit anderen Augen sehen können.